Ästhetisches Erlebnis von Windkraftanlagen in der Landschaft
Empirische Untersuchungen mit studentischen Gruppen
Von Werner Nohl

Zusammenfassung


Ausgehend von den rasanten Landschaftsbildveränderungen in vielen Teilen der Bundesrepublik Deutschland durch Windkraftnutzung wird im vorliegenden Beitrag versucht, mögliche ästhetische Verluste der Landschaft durch die Errichtung von Windkraftanlagen empirisch zu erfassen. Dazu werden die ästhetischen Anmutungen zweier studentischer Gruppen zu Bildern einer Landschaft ohne sowie mit zwei, sechs und zwölf Windkraftanlagen in der gleichen Landschaft systematisch untersucht. Es zeigt sich, dass 1. alle Landschaftsbilder mit WKA ästhetisch signifikant negativer erlebt werden, und dass 2. die ästhetischen Anmutungen umso negativer ausfallen, je mehr Windkraftanlagen in einem Landschaftsausschnitt verdichtet angeordnet sind. Es wird darauf hingewiesen, dass über die Naturschutzgesetzgebung, die für die Bevölkerung das Recht auf landschaftliche Schönheit und landschaftsorientierte Erholung ausdrücklich festschreibt, die in großen Teilen der Bundesrepublik Deutschland sich abzeichnenden flächenhaften ästhetischen Deformierungen der Landschaft durch Windkraftnutzung nicht abgedeckt sind, und von daher vermehrter politischer und gerichtlicher Handlungsbedarf besteht.

Summary
Aesthetic Perception of Wind Power Plants in the Open Landscape-Empirical Investigations of Student Groups

Based on the fast changes of the visual landscape through wind power plants in many parts of the Federal Republic of Germany the study tries to empirically inventorise possible aesthetic losses of the landscape through the establishment of wind power plants. Therefore the aesthetic perceptions of two student groups looking at pictures of a landscape without as well as with two, six and twelve wind power plants in the same landscape are investigated systematically. 

The results show that firstly all landscape views with wind power plants are experienced significantly more negative, and secondly the aesthetic perceptions are the more negative the more wind power plants are densely arranged in a landscape section. It is emphasised that the nature conservation legislation, which explicitly establishes the public right to landscape beauty and landscape-related recreation, not covers the emerging area-wide aesthetic deformations of the landscape caused by wind power use in large parts of Germany. This leads to an increasing need of political and legal action.

1 Problemstellung

Die Erzeugung von Energie durch Windkraft wird derzeit mit staatlicher Unterstützung (Erneuerbare-Energien-Gesetz, Privilegierung der Windkraft im Baugesetzbuch, Zwang zur Ausweisung von Eignungsgebieten für Windkraft usw.) in einer bisher beispiellosen Weise durchzusetzen versucht. Mit dem Argument der umweltfreundlichen Energie werden massenhaft Windkraftanlagen (WKA) über weite Landschaftsbereiche in der Bundesrepublik Deutschland verteilt. Es ist richtig, dass eine Windkraftanlage, wenn sie einmal steht, umweltfreundliche Energie erzeugt. Es ist aber auch richtig, dass sich die Produzenten und Betreiber von Windkraftanlagen nicht von umweltpolitischen Gesichtspunkten, sondern - wie jeder Industriebetrieb - von ökonomischen Überlegungen leiten lassen. Darauf verweist schon die Tatsache, dass in Ländern, in denen den Energieversorgungsunternehmen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, den Betreibern für jede von einer Windkraftanlage erzeugte und in das Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde 0,17 DM zu entrichten, kaum Windkraftanlagen zu finden sind (z.B. Österreich).

Welche Motivationen auch immer die derzeitige Uberflutung der Landschaft mit Windkraftanlagen antreiben mögen, die Vehemenz, mit der diese Entwicklung durchgesetzt wird, lenkt davon ab, dass die Landschaft auch Träger anderer gesellschaftlich relevanter Güter ist. Hier sei insbesondere auf das Gut des ungestörten Naturgenusses und der Erholung in der Landschaft hingewiesen. Dieses Bedürfnis nach Ästhetik und Rekreation in der Landschaft ist kein unbilliges Verlangen. Die Grundsatznorm des §1 des soeben novellierten Bundesnaturschutzgesetzes sagt klipp und klar, dass Natur und Landschaft "so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, soweit erforderlich, wiederherzustellen sind, dass... die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert sind".

Die heute zu beobachtende ubiquitäre politische Bevorzugung des einen Guts (der Windkraft) über das andere (des Naturgenusses) wäre leichter zu rechtfertigen und mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, wenn sich nachweisen ließe, dass von Windkraftanlagen und Windkraftwerken keine erheblichen Störungen des ästhetischen Landschaftserlebnisses und des Erholungswerts ausgingen. Relativ objektiv lässt sich bei der Beantwortung dieser Frage zunächst einmal festhalten, dass Windkraftanlagen 

  1. in unseren Kultur- und Agrarlandschaften als technische Elemente von großer visueller Auffälligkeit sind,
  2. in ihrem massenhaften Auftreten Veränderungen des Landschaftscharakters (Eigenart), insbesondere die Aufhebung des vorherrschenden "Naturcharakters" der Landschaft, bewirken,
  3. inzwischen Höhen von 100 bis 150m erreichen und in dieser visuellen Mächtigkeit jeden (gewohnten) landschaftlichen Maßstab sprengen, so dass sie zu "landschaftsfeindlichen" Elementen werden,
  4. aufgrund ihrer Höhe visuell tief in ihre Umgebungslandschaften "hineinstrahlen" und sich aufgrund ihrer technisch bedingten Aufälligkeit auch fernab ihres Standorts jedem Landschaftsbetrachter förmlich aufdrängen. 
Die entscheidende Frage ist nun, ob sich diese relativ objektiv angebbaren visuellen Besonderheiten auch auf das ästhetische Erlebnis von Natur und Landschaft auswirken. Oder anders formuliert, ob die dominanten und landschaftsfremden Strukturen der Windkraftanlagen wie auch die damit verbundenen visuellen Wirkungen tatsächlich die ästhetische Qualität der Landschaft beeinträchtigen und auf diese Weise auch den Erholungswert mindern (zum Zusammenhang von Erholung und Landschaftsbild vgl. HOISL et al. 2000).

Zur Beantwortung dieser Frage soll der vorliegende Artikel beitragen. Ließen sich tatsächlich keine nennenswerten ästhetischen Verluste nachweisen, wäre die gegenwärtige Dominanz der Windkraft - zumindest aus der Perspektive des ungestörten Landschaftsgenusses - gerechtfertigt. Zeigt sich aber, dass durch solche Anlagen das Landschaftsbild (und mit ihm der Erholungswert von Natur und Landschaft) erheblich beeinträchtigt wird, dann ist eine Neubewertung der Windkraft notwendig, um im vorgeschriebenen Abwägungsprozess zwischen zwei positiven konkurrierenden Gütern auch dem gesetzlichen Anspruch auf Sicherung von "Vielfalt, Eigenart und Schönheit" sowie des "Erholungswerts" von Natur und Landschaft Genüge zu tun.

2 Methodisches Vorgehen

Der Frage, wie Windkraftanlagen das ästhetische Erleben von Natur und Landschaft beeinflussen, wird mittels einer empirischen Untersuchung nachgegangen, in der die zu beurteilenden Windkraftanlagen und ihr landschaftliches Umfeld bildlich vorgelegt werden. Es werden also keine Einstellungen und Werthaltungen zu einem verbal thematisierten Gegenstand erfragt, vielmehr werden landschaftsästhetische Anmutungen erfasst und dargestellt, wie sie sich beim Betrachten bildlich-konkreter landschaftlicher Situationen einstellen. Obgleich ein solches Vorgehen die für die Landschaftsästhetik so wichtige sinnliche Wahrnehmung methodisch in den Vordergrund stellt, können aber auch damit - wie mit jedem Instrument zur Erfassung empirischer Sachverhalte - letztlich immer nur Ausschnitte oder Facetten aus der gesamten (hier: landschaftsästhetischen) Wirklichkeit erfasst werden. Diese Unzulänglichkeit allen empirischen Vorgehens zeigt, dass Empirie nicht ganz auf den Einsatz von Argumenten - etwa in der Form von "plausiblen" Interpretationen der gefundenen Ergebnisse - verzichten kann. Man darf darüber hinaus auch zu Recht davon ausgehen, dass bei der Beantwortung von Fragen (hier nach der ästhetischen Wirkung der gezeigten Landschaften) auch auf Seiten der befragten Personen immer schon ein deutliches Moment reflexiven Überlegens vorhanden ist. Es macht also wenig Sinn, Empirie gegen Reflexion auszuspielen, vielmehr müssen sich beide - zum Wohle der Erkenntnis - ergänzen.

befragte Personen

Die nachfolgend dargestellten Untersuchungen sind als Beitrag zu einer Lehrveranstaltung an der TU München, Department für Ökosystem- und Landschaftsmanagement, Wissenschaftszentrum Weihenstephan, durchgeführt worden. Sie fanden im Wintersemester 2000 statt, und insgesamt 45 Studenten der Landespflege (im dritten Studienjahr) nahmen daran teil. Von ihnen waren 31 weiblichen und 14 männlichen Geschlechts. Das Durchschnittsalter lag bei 23,4 Jahren. Für die Befragung und die anschließende Auswertung der Ergebnisse wurde die Gesamtgruppe in zwei Teilgruppen gleicher Zusammensetzung untergliedert (Gruppe A: 23 Befragte und Gruppe B: 22 Befragte).

Die nachstehenden Ergebnisse können also nur für Landespflegestudenten gelten. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass diese in Fragen der Landschaftsentwicklung bis zu einem gewissen Grade wie "Seismographen" betrachtet werden können. Als in der Ausbildung befindliche Personen sind sie noch nicht beruflichen Zwängen und Rücksichtnahmen unterlegen, können also noch sehr viel freier - auch gegen herrschende Meinung - abwägen und urteilen; andererseits besitzen sie bereits einen quasi-professionellen Erfahrungshintergrund, der in Weihenstephan neben Landschaftsarchitektur und -planung, Naturschutz und Umweltschutz einschließt. Die Problematik der WKA ist ihnen also sowohl aus der Sicht des Umweltschutzes als auch des Naturschutzes geläufig. Dennoch wäre es sinnvoll, die Untersuchungen mit einer größeren Bevölkerungsstichprobe (insbesondere Einheimische und Ortsfremde als Erholungssuchende) zu wiederholen, um Diskrepanzen und Übereinstimmungen aufzudecken. Immerhin zeigen Untersuchungen zur Landschaftswahrnehmung und Landschaftswertschätzung, in denen "Normalbevölkerung" und Studenten in ihren Erlebensweisen miteinander verglichen wurden (z.B. NOHL 1974, ZUBE 1973), neben Besonderheiten auf beiden Seiten auch deutliche Bereiche von Übereinstimmung. 

Befragungsinstrument
Als Befragungsinstrument diente ein semantisches Differential (HOFSTÄTTER 1955, OsGOOD 1952) mit elf adjektivischen Gegensatzpaaren (z. B. "ruhig"-"unruhig"), denen jeweils Skalen von 1 bis 7 zugeordnet sind (vgl. Abb. 1 ). Um die Frage nach der Erlebniswirkung einer Landschaft beantworten zu können, standen damit jedem Befragten bei jedem Adjektivpaar sieben Stufen zur Differenzierung der Erlebnisintensität zur Verfügung (z.B. von "7" = "wirkt sehr ruhig" über "4" = "wirkt weder ruhig noch unruhig" bis "1" = "wirkt sehr unruhig"). Die ausgesuchten Adjektivpaare repräsentieren
 

1. ästhetisch wirksame Beschreibungen der Landschaft (z.B. "naturnah - überformt"),
2. spezifische Erlebniswirkungen von Windkraftanlagen auf Landschaft (z.B. "ruhig unruhig"),
3. emotional-ästhetische Erlebensweisen von Landschaften (z.B. "schön - hässlich").
Abb. 1
Semantisches Differenzial zur Erfassung landschaftlicher Anmutungsqualitäten - Befragungsinstrument
Da im semantischen Differential direkt nach den Anmutungen gefragt wird und vorausgesetzt werden kann, dass die Befragten die verwendeten Adjektive im Zusammenhang mit Landschaft auch verstehen, kann davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse inhaltlich gültig sind. Das heißt, mit dem Instrument werden Empfindungen gemessen, die auch tatsächlich gemessen werden sollen. Damit ist ein wichtiges Gütekriterium für Tests, nämlich das der Validität (Gültigkeit), erfüllt.

Präsentationsmodus
Die zu beurteilenden Landschaften wurden den Befragten als Dias in der Größe von ca. 1,8 x 1,2m auf einem Schirm 10 s lang präsentiert. Die Berechtigung der simulativen Landschaftsdarstellung, insbesondere in der Form von farbigen Diapositiven, ist in vielen Untersuchungen nachgewiesen worden (z.B. LAW &; ZUBE 1993, NOHL 1974: 41f., SHUTTEEWORTH 1980).

präsentierte Landschaften
Insgesamt wurden vier Landschaften in die Untersuchung einbezogen (Abb. 2):

  • Bild 1 zeigt einen Ausschnitt aus dem norddeutschen Tiefland, im Wesentlichen aus Wiesen bestehend (mit zwei kleinen Findlingen im Vordergrund), einem kastenförmigen Waldstück im Mittelgrund sowie einem waldgesäumten Horizont.
  • In Bild 2 ist die gleiche Landschaft dargestellt mit zusätzlich zwei Windkraftanlagen von je 88 m Höhe (und je 1,5 MW Leistung).
  • Bild 3 zeigt die gleiche Landschaft mit sechs Windkraftanlagen von je 70m Höhe (mit je 0,5 MW Leistung). Man kann hier von einem Windkraftwerk oder Windpark sprechen.
  • Bild 4 stellt in der gleichen Landschaft ein Windkraftwerk mit zwölf Einzelanlagen von je 42,5 m Höhe (und je 0,25 MW Leistung) dar. 

Abb. 2: Die untersuchte Landschaft in vier Versionen
Bild1: ohne Windkraftanlagen, Bild 2: mit zwei Windkraftanlagen, Bild 3: mit sechs Windkraftanlagen und Bild 4: mit zwölf Windkraftanlagen

In allen drei Bildern mit Windkraftanlagen beträgt die aufsummierte Leistung aller sichtbaren Anlagen jeweils 3 MW. Das Bildmaterial ist einem Prospekt des Deutschen Windenergie-Instituts (DEWI, o.J.) entnommen. Es handelt sich um Computersimulationen, die - wie im Prospekt angegeben - erstellt wurden, um Windenergieanlagen "möglichst optimal und mit großer Akzeptanz der Bevölkerung in das bestehende Landschaftsbild einzupassen" (DEWI).

Durchführung der Befragungen
Die Befragungen wurden in zwei voneinander unabhängigen Gruppensitzungen durchgeführt (Tab. 1). Den Mitgliedern der Gruppe A wurde zunächst das Bild 1 (Landschaft ohne WKA) zur Beschreibung ihrer Erlebnisanmutungen als Diaprojektion (s.o.) gezeigt. Nach Ausfüllen des dafür vorgefertigten Formblatts (Abb. 1) wurde der Gruppe das Bild 3 (mit sechs WKA) und danach das Bild 2 (mit zwei WKA) zur Beurteilung vorgeführt. Die Mitglieder der Gruppe B, beschrieben ebenfalls zunächst ihre Anmutungen zu Bild 1 (ohne WKA) und zu Bild 3 (mit sechs WKA), und abschließend dann zu Bild 4 (mit zwölf WKA).

Die Sitzungen mit beiden Gruppen fanden getrennt statt, aber zeitlich unmittelbar hin tereinander. Die Teilnehmer hatten damit keine Gelegenheit, Informationen über der Ablauf der Untersuchungen auszutauschen Jedes Mitglied der beiden Gruppen musste sich bei der Beurteilung auf seine eigenen ästhetischen Anmutungen und Gefühle beziehen. 

Neben dem bereits angesprochenen Testkriterium der Validität stellt die Objektivität ein weiteres, wichtiges Gütekriterium für psychologische Tests dar. Dieses Kriterium gilt als erfüllt, wenn sowohl die Durchführung als auch die Auswertung der Ergebnisse unabhängig vom Untersucher sind. Da nur auf vorgegebenen Kategorien und nur in numerischer Form ausgewertet wurde, kann die Auswertungsobjektivität als gegeben angesehen werden. Auch andere Untersucher könnten in der Auswertung nicht zu anderen Ergebnissen gelangen.

Die Durchführungsobjektivität wurde dadurch erreicht, dass in beiden Testsitzungen die Bedingungen der Testdurchführungen, insbesondere das (verbale) Verhalten des Versuchsleiters, durch schriftliche Formulierung und wörtliches Verlesen aller Anweisungen und Erklärungen, die zur Ausfüllung der Formblätter durch die Befragten notwendig waren, einander angeglichen wurden. 

3 Überprüfung der Verlässlichkeit der Gruppenurteile
Bevor inhaltliche Fragen zu den Anmutungen von Landschaften mit Windkraftanlagen behandelt werden, muss geklärt werden, ob Untersuchungen mit Gruppen aus nur 22 bzw. 23 Befragten überhaupt zu verlässlichen, d.h. über zufälligen, systematischen Ergebnissen führen. Es geht um die Frage, wie groß in Wahrnehmungsstudien Gruppen sein müssen, damit ihre Einzelergebnisse zu zuverlässigen Mittelwerten zusammengefasst werden können. Dieser Verlässlichkeit der Mittelwerte entspricht ein drittes wichtiges Gütekriterium psychologischer Tests, nämlich die Reliabilität. Ein Test ist nur dann reliabel oder zuverlässig, wenn bei Testwiederholungen vergleichbare Ergebnisse erzielt werden, bildlich gesprochen, wenn gezeigt werden kann, dass der "Mess-Stab" beim Vorgang des Messens stabil bleibt. Schon vor einigen Jahrzehnten wurde in umfänglicheren Untersuchungen herausgefunden, dass sich in Wahrnehmungs- und Erlebnisstudien i.A. die Ergebnisse (Mittelwerte) bereits ab etwa 18 bis 20 Personen stabilisieren, d.h., sich in diesen Größenordnungen in vergleichbaren Gruppen wiederholen, sofern es sich bei beiden Stichproben um Angehörige der gleichen Grundgesamtheit handelt, und diese Grundgesamtheit relativ homogen ist (FRANKE & BORST 1972). Beide Bedingungen treffen für unsere beiden Befragtengruppen zu: In beiden Fällen handelt es sich um Landespflegestudenten, und diese stellen hinsichtlich Alter, Schulbildung, Schichtzugehörigkeit und anderen Variablen eine relativ homogene Grundgesamtheit dar.

Da sich aber auch Wahrnehmungsgewohnheiten ändern können, wird diese Frage am konkreten Material noch einmal aufgegriffen. Wie erwähnt, äußerten sich beide Gruppen zu Bild 1 (ohne WKA) und zu Bild 3 (mit sechs WKA), jedoch in getrennten Durchgängen. Wenn es dabei zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sein sollte, darf man wohl davon ausgehen, dass die Zahl der befragten Personen ausreichend war. Die Ergebnisse dieser beiden von einander unabhängigen Beurteilungen mit dem Semantischen Differential sind in der Tab. 2 in Form von Gruppenmittelwerten wiedergegeben. Es fällt auf, dass bei einer Reihe von Erlebnisdimensionen (Adjektivpaaren) einzelne größere Unterschiede in den Mittelwerten auftreten, insbesondere bei Bild 1, also bei der Landschaft ohne Windkraftanlagen.

Bei der WKA-freien Landschaft (Bild 1) sind das vor allem Unterschiede auf den Dimensionen "schön - hässlich" (|ØA - ØB| = 1,32, Tab. 2, Spalte 5, dunkel unterlegt), "vielfältig - monoton" (|ØA - ØB| = 1,28), "befreiend - bedrückend" (|ØA - ØB| = 1,27) und "unversperrt - versperrt (|ØA - ØB| = 1,19). Dagegen findet sich bei der Landschaft mit den sechs Windkraftanlagen (Bild 3) lediglich eine Erlebnisdimension mit einer vergleichbar großen Differenz in den Anmutungen beider Gruppen: So erlebt die Gruppe B im Unterschied zur Gruppe A die Landschaft mit sechs WKA als deutlich stärker "überformt" ("naturnah - überformt": |ØA - ØB| = 1,02, Tab. 2, Spalte 10). 

Ähnlichkeit im ästhetischen Erleben äußert sich i.A. aber nicht nur in der Größe der Unterschiede auf einzelnen Erlebnisdimensionen, sondern auch in der Positionierung der Anmutungen auf der Urteilsskala. Beide Faktoren werden bei Korrelationen berücksichtigt. Entsprechende Berechnungen (Rangkorrelationen Rt nach KENDALL) mit den Erlebniswerten beider Gruppen, d.h. mit den in der Tab. 2 angegebenen Mittelwerten (Spalten 3 und 4 für Bild 1 und Spalten 6 und 7 für Bild 3) als Laufvariablen erbringen die folgenden Ergebnisse: 

  • im Falle der Landschaft ohne WKA (Bild 1): Rt = .38, p < 10%,
  • im Falle der Landschaft mit sechs WKA (Bild 3): Rt = .78, p < 1%.
[Wegen der relativ kleinen Befragtengruppen kommen in dieser Untersuchung nur parameterfreie statistische Verfahren zur Anwendung, d.h. Verfahren, die keine Normalverteilung der Messwerte voraussetzen. Dazu gehört auch das hier verwendete Korrelationsverfahren nach KENDALL. Wie bei den meisten Korrelationsverfahren bewegen sich auch hier alle erreichbaren Werte (Rt) von +1,00 (vollkommene gleichläufige Ähnlichkeit) über 0,00 (keinerlei Ähnlichkeit) bis -1,00 (vollkommene gegenläufige Ähnlichkeit). Auch die weiter unten benutzten Verfahren des Wilcoxon-Tests und des c2-Tests sind parameterfreie Verfahren.]

Die Signifikanzprüfung der beiden ermittelten Korrelationskoeffizienten zeigt, dass die Ähnlichkeit in den ästhetischen Anmutungen der beiden Gruppen für Bild 1 mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit (p) von höchstens 10% und für Bild 3 mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit (p) von höchstens 1% signifikant ist (zweiseitige Fragestellung). Beide Landschaften, sowohl die ohne WKA (Bild 1) als auch die mit den sechs WKA (Bild 3), werden demnach in signifikanter Weise ähnlich erlebt, aber die Irrtumswahrscheinlichkeit ist im Falle der Landschaft mit sechs WKA (Bild 3) deutlich geringer als die im Falle der Landschaft ohne WKA (Bild 1).

Akzeptiert man das Signifikanzniveau von p < 10%, dann darf man aufgrund dieser Ergebnisse davon ausgehen, dass Gruppengrößen von 22 bzw. 23 Befragten, wie sie hier verwendet wurden, zu signifikant verlässlichen Ergebnissen führen.

Dennoch bleibt diskussionswürdig, dass die Anmutungen im Falle der Landschaft mit sechs WKA (Bild 1) erkennbar besser übereinstimmen (Rt = .78). Offenbar führen großtechnische Bauwerke in der Landschaft, wie sie Windkraftanlagen darstellen, zu ästhetischen Erlebnissen größerer Konformität.

Wie sich in Abschnitt 3.3 zeigen wird, werden die Landschaften mit Windkraftanlagen in ästhetischer Hinsicht alle deutlich negativ erlebt. Damit bestätigt sich eine alte Erkenntnis, dass sich die Menschen in der Ablehnung ästhetisch negativer Erlebnisse in aller Regel einiger sind als in der Zustimmung zu ästhetisch positiven Erlebnissen (vgl. z.B. NOHL & NEUMANN 1986: 48f.).

Dagegen erweist sich die Ähnlichkeit der Anmutungen im Falle der Landschaft ohne WKA als deutlich geringer (Rt = .38). Da das Signifikanzniveau mit p < 10% nicht besonders streng ist, erscheint es für den weiteren Verlauf der Untersuchungen sinnvoll, zur Verbesserung der Verlässlichkeit der Ergebnisse auf alle Fälle bei der Landschaft ohne WKA (Bild 1) die beiden Einzelgruppen zu einer (größeren) Gesamtgruppe zusammen zu fassen und die Gesamtwerte den weiteren Auswertungen und Diskussionen zugrunde zu legen.

4 Ergebnisse

Wenn im Folgenden von "landschaftsästhetischem Erleben" oder von "ästhetischen Anmutungen" die Rede ist, sind nicht nur direkte emotionale Empfindungen des Schönen gemeint. Auch Wahrnehmungen und Empfindungen, die in anderer als in schöner, immer aber in sinnlich-mentaler Weise Landschaft widerspiegeln, werden hier als ästhetische Erlebnisse oder ästhetische Anmutungen aufgefasst (aisthesis = Wahrnehmung). Das Schöne wird sozusagen als ein Sonderfall des Ästhetischen betrachtet.

4.1 Erlebniswirkung der Ausgangslandschaft
Das ästhetische Erlebnis von Landschaften die mit Windkraftanlagen bestückt sind, hängt nicht nur vom Erscheinungsbild dieser technischen Elemente ab, sondern auch vom landschaftlichen Kontext, also von der Gestalt und dem Bild der Landschaft, in die sie hineingestellt sind. Wenn daher die Erlebniswirkungen verschieden großer Windkraftparks oder Ansammlungen von Windkraftanlagen in der Landschaft untersucht werden sollen, ist es sinnvoll, sich zunächst einmal zu verdeutlichen, wie denn die Ausgangslandschaft im Einzelnen erlebt wird. Dazu wird, wie in Abschnitt 3 diskutiert, von den ästhetischen Anmutungen der Gesamtgruppe (alle 45 Befragten) ausgegangen. Die entsprechenden Kennwerte sind in Tab. 3 wiedergegeben.

Bezüglich der Mittelwerte ist die Tabelle so zu lesen, dass Wertziffern zwischen 1,00 und 3,99 die Bedeutung von Adjektiven auf der linken Seite (der Spalte "Erlebnisdimensionen" in Tab. 3) herausstellen, wobei ein Adjektiv umso stärker betont ist, je kleiner der Wert ist. Beispielsweise verweist beim Adjektivpaar "unversperrt - versperrt" der Mittelwert in Höhe von Ø = 2,70 darauf, dass die Landschaft die Befragten im Durchschnitt als "unversperrt" anmutet. Umgekehrt verweisen Mittelwerte zwischen 4,01 und 7,00 auf die Bedeutung von Adjektiven, die auf der rechten Seite der Spalte "Erlebnisdimensionen" stehen, und die Bedeutung dieser Adjektive ist umso größer, je größer der Betrag des Mittelwerts ist. 

Wie an den Mittelwerten abgelesen werden kann, wird die flache, weite Ausgangslandschaft (vgl. auch Abb. 2) in ästhetischer Hinsicht nicht als sehr aufregend erlebt. Die Befragten betonen zwar, dass die Landschaft nach ihrem Eindruck viel Ruhe ausströmt ("unruhig - ruhig": Ø = 5,22) und auf sie deutlich offen wirkt ("unversperrt - versperrt": Ø = 2,70). Andererseits erscheint sie ihnen eher "beschädigt" ("beschädigt - unversehrt": Ø = 3,56), mutet aber zugleich eher ganzheitlich ("zerstückelt - ganzheitlich": Ø = 4,44) an.

Die Einschätzungen auf Dimensionen, die das ästhetisch-emotionale Erlebnis unmittelbar zum Ausdruck bringen, fallen dagegen alle mehr oder weniger neutral aus. So wird zwar die Landschaft eher "fremd" als "heimatlich" (Ø = 3,93) und eher "unfreundlich" als "freundlich" (Ø = 3,82) empfunden, und sie wirkt andererseits auf die Betrachter eher "befreiend" als "bedrückend" (Ø = 3,58) und eher "schön" als "hässlich" (Ø = 3,56). Es sind aber alles Werte nahe der Mittelachse der Urteilsskala (Skalenstufe 4,00), an der Positives in Negatives umschlägt und umgekehrt.

Warum diese Landschaft nur als durchschnittlich schön empfunden wird, können Erlebnisdimensionen wie Vielfalt, Naturnähe und Stimmigkeit (im Sinne von Eigenart) erklären, die oftmals auch in anderen Zusammenhängen zur Erläuterung des Landschaftsschönen herangezogen werden. So mutet die Ausgangslandschaft erkennbar "monoton" ("vielfältig - monoton": Ø = 4,84) an, nicht besonders "naturnah" ("naturnah - überformt": Ø = 3,71) und auch nicht übermäßig "stimmig" ("unstimmig - stimmig": Ø = 4,47) an. Man liegt wohl nicht falsch, wenn man an diesen Ergebnissen abliest, dass es gerade auch die relative Monotonie ist, die bei den Befragten den Eindruck größerer Schönheit verhindert.

Gemessen an diesen Anmutungen der Befragten, die die Ausgangslandschaft nicht als einen ästhetisch besonders aufregenden Ort ausweisen, erhebt sich die Frage, ob dieses nicht ein geeigneter Landschaftstyp für die Errichtung von Windkraftanlagen ist, ist doch nicht leicht vorstellbar, dass die Bestückung einer solchen Landschaft mit Windkraftanlagen wirklich noch zu weiteren deutlichen ästhetischen Verlusten führen kann.

4.2 Erlebniswirkung von Landschaft mit Windkraftanlagen
Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, werden im Folgenden die ästhetischen Anmutungen miteinander verglichen, die die Befragten zu den Bildern mit und ohne Windkraftanlagen äußerten. Dazu sind in Tab. 4 die entsprechenden Gruppenmittelwerte zu den vier Bildern nebeneinander gestellt. Um mögliche Tendenzen in den bildbedingten Mittelwertreihen besser erkennen zu können, sind die beiden gegenläufigen Adjektive der einzelnen Erlebnisdimensionen in der Tabelle so angeordnet, dass die jeweils positiv wirkenden Begriffe der Gegensatzpaare alle auf der linken Seite der Tabelle stehen (z.B. "ruhig" steht jetzt links, "unruhig" rechts). Des weiteren wurden die Stufenwerte einiger Skalen in Tab. 4 im Bedarfsfall derart umgestellt (durch Spiegelung an der Skalenmittelachse), dass sich der Skalenwert "7" immer am (vemmuteten) positiven Pol und "1" am negativen Pol befindet. Beides sind rein fommale Umstellungen, um die Ergebnisse der Untersuchung besser verständlich zu machen. Inhalte werden dadurch nicht verändert.

Da Bild 1 (Landschaft ohne WKA) und Bild 3 (Landschaft mit sechs WKA) sowohl von Gruppe A als auch von Gruppe B beurteilt wurden, sind in Tab. 4 für diese beiden Landschaften die Mittelwerte der Gesamtgruppe (ØG) wiedergegeben, während die Mittelwerte für Bild 2 (Landschaft mit zwei WKA) von Gruppe A (mit 23 Befragten) und für Bild 4 (zwölf WKA) von Gruppe B (mit 22 Befragten) stammen. Dass auch Gruppen mit nur 22 oder 23 Befragten verlässliche Ergebnisse liefem können, wurde in Abschnitt 3 diskutiert.

Wie Tab. 4 zu entnehmen ist, sind die Mittelwerte (Ø) der Bilder 2, 3 und 4 - also die Landschaften mit zwei, sechs und zwölf Windkraftanlagen - bis auf wenige Ausnahmen alle kleiner als die des Bildes 1 (ohne WKA), und sie liegen zum allergrößten Teil im negativen Skalenbereich (unter 4,0). Windkraftanlagen ziehen also selbst noch in dieser "von Hause aus" so wenig positiv anmutenden Landschaft (vgl. Abschnitt 4.1 ) erkennbare ästhetische Beeinträchtigungen der Landschaft nach sich. So wirken denn auch die Bilder mit Windkraftanlagen "unruhiger", "versperrter", "unfreundlicher", "beschädigter", "hässlicher", "unstimmiger", "überformter", "fremder", "zerstückelter" und "bedrückender". 

Als weiterer deutlicher Trend zeigt sich, dass die ästhetischen Anmutungen (Mittelwerte) umso negativer ausfallen, je mehr WKA auf den Bildern zu sehen sind. Abb. 3, in der die einzelnen Erlebniswerte (Mittelwerte) zu ästhetischen Anmutungsprofilen verknüpft sind, kann diese Zusammenhänge auf einen Blick verdeutlichen. Es ist also nicht zuletzt die verdichtete Anordnung von Windkraftanlagen in der Landschaft (Windparks und Landschaften mit vielen, eng beieinander liegenden Windparks), also die Wiederkehr ewig gleicher landschaftsfremder Elemente, die für die großen Verluste an landschaftsästhetischer Substanz verantwortlich sind.


Abb.3
Anmutungsprofile von vier Landschaften (Bilder mit und ohne Windkraftanlagen)
Darstellung auf der Basis der in Tab. 4 zusammengestellten Mittelwerte.

Es gibt nur eine Erlebnisdimension, auf der die positiven und negativen Anmutungen genau gegenläufig verteilt sind. Das ist die Dimension der Vielfalt. Im Gegensatz zum Bild ohne WKA werden alle Bilder mit WKA als eher "vielfältig" erlebt. Diese positiven Werte auf der Vielfaltsskala führen aber keineswegs zu einer entsprechenden Anhebung derjenigen Anmutungsqualitäten, die das emotional-ästhetische Erlebnis von Landschaft im engeren Sinne zum Ausdruck bringen, wie "schön", "freundlich", "heimatlich" und "befreiend". Im Gegenteil, je mehr und je dichter WKA in der Landschaft angeordnet sind (und als "vielfältiger" beurteilt werden), umso negativer werden solche Situationen ästhetisch erlebt.

Hier wird deutlich, dass unter Vielfalt im landschaftsästhetischen Sinne immer "charakteristische" Vielfalt zu verstehen ist. Windkraftanlagen zählen aber offensichtlich nicht zu den Objekten, die zur charakteristischen Landschaftsvielfalt beitragen können. Diese Untersuchungen zeigen, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. Die "technische" Vielfalt, wie sie sich über die hoch aufragenden Windkraftanlagen so dominierend in der Landschaft visuell verbreitet, führt bei den Betrachtern zu starken ästhetischen Antipathien, oder drastischer formuliert, sie treibt die Schönheit aus der Landschaft heraus.

Es stellt sich die Frage, ob denn diese empirisch erfassbaren ästhetischen Unterschiede zwischen der Landschaft ohne WKA einerseits und den unterschiedlich großen WKA-Ansammlungen andererseits tatsächlich nennenswert sind. Es wäre ja möglich, dass diese Unterschiede zwar existieren, aber von den Befragten kaum empfunden werden.

Um diese Frage genauer zu untersuchen, wurde eine Signifikanzprüfung mit dem Wilcoxon-Test vorgenommen. Der Wilcoxon-Test, mit dem immer zwei Objekte (Landschaften) verglichen werden können beschränkt sich dabei nicht auf die Überprüfung der Differenzen auf einzelnen Erlebnisdimensionen, vielmehr gehen in die Signifikanzprüfung mit diesem Test die Werte aller Erlebnisdimensionen des semantischen Differentials ein. Er gibt darüber Auskunft, ob - insgesamt betrachtet - die Distanz zwischen den Anmutungsprofilen zweier Landschaften signifikant ist, und wenn ja, auf welchem Niveau. 

Als vereinfachter Kennwert für diesen Abstand zwischen zwei Profilverläufen ist in Tab. 5 die durchschnittliche Differenz der Mittelwerte aller Erlebnisdimensionen (dG) von Bild 1 (ohne WKA) und Bild 2 (mit zwei WKA), von Bild 1 und Bild 3 (mit sechs WKA) und von Bild 1 und Bild 4 (mit zwölf WKA) angegeben. Dabei machen die Distanzen zwischen Bild 1 und Bild 3 (dG1/3 = 0,83) und zwischen Bild 1 und Bild 4 (dG1/4 = 1,05) noch einmal deutlich, wie sehr das ästhetische Erlebnis von Landschaftsbetrachtern selbst noch in einer Landschaft, die "von Hause aus" als wenig attraktiv wirkt (vgl. Abschnitt 3.2), durch die verdichtete Anordnung vieler Windkraftanlagen zersetzt wird.

So kann der rechten Spalte in Tab. 5 entnommen werden, dass diese Abstände zwischen den Profilverläufen in allen drei Bildvergleichen signifikant weit sind (mit 5%iger bzw. 2%iger Irrtumswahrscheinlichkeit; zweiseitige Fragestellung). Demnach werden die Landschaftsfotos mit WKA, verglichen mit dem Foto ohne WKA, in ästhetischer Hinsicht signifikant unterschiedlich, und das heißt hier signifikant negativer, erlebt. Das gilt selbst schon für die Landschaft mit zwei Windkraftanlagen (SN: p < 5 %), auch wenn die durchschnittliche Differenz der Mittelwerte hier mit dG1/2 = 0,38 deutlich geringer ausfällt als in den beiden anderen Fällen.

Aus diesen Ergebnissen lässt sich mit Recht schließen, dass die Differenzen im ästhetischen Erleben von Landschaften mit und ohne Windkraftanlagen von den Befragten auch als bedeutsam begriffen wurden. Denn nur ausreichend große Differenzen können signifikant sein. Größe wiederum steht in Relation zum Skalenraum, der aber war den Befragten durch ihre Teilnahme an den empirischen Erhebungen zur Genüge bekannt.

Es lässt sich aus den Ergebnissen mit dem Wilcoxon-Test freilich nicht herauslesen, welche einzelnen Erlebnisdimensionen in besonderer Weise zu diesen deutlichen landschaftsästhetischen Verlusten beitragen ("Omnibus-Test"). Darüber können aber sehr gut diejenigen Mittelwerte der Bilder 2, 3 und 4 Auskunft geben, die relativ weit von den zugehörigen Mittelwerten des Bildes 1 liegen. So sind in Tab. 4 alle Mittelwerte, die sich um mehr als 0,80 von den entsprechenden Mittelwerten des Bildes 1 (ohne WKA) unterscheiden, dunkel unterlegt. An ihnen lässt sich erkennen, dass besonders in den Landschaften mit sechs WKA und zwölf WKA auf fast allen Erlebnisdimensionen große ästhetische Verluste zu verzeichnen sind. Die starken negativen ästhetischen Wirkungen von größeren Ansammlungen von WKA (Windparks) werden also mehr oder weniger gleichmäßig auf allen Erlebnisdimensionen empfunden. Dagegen finden sich beim Vergleich des Bildes 1 (ohne WKA) mit Bild 2 (zwei WKA ) nur auf den Erlebnisdimensionen "ruhig - unruhig", "unversperrt - versperrt" und "vielfältig - monoton" Distanzen, die größer als 0,80 sind. Offensichtlich äußert sich bei Vorhandensein nur weniger (einzelner) Windkraftanlagen die ästhetische Verlustwahrnehmung vorwiegend in Gefühlen der "Versperrung" und der "Beunruhigung" sowie im Erlebnis einer sich ausbreitenden technischen "Vielfalt".

Für die je Erlebnisdimension errechenbaren Abstände zwischen den in Tab. 4 angegebenen Mittelwerten des Bildes 1 einerseits und der übrigen Bilder andererseits lassen sich auch Signifikanzprüfungen durchführen. Beispielsweise kann man mit dem c2-Test feststellen, ob sich die zu den Bildern gehörenden Personengruppen in den Häufigkeiten der von ihnen gewählten Urteilsstufen signifikant unterscheiden. Da eine Mittelwertsbildung immer auf einer Häufigkeitsverteilung beruht, macht eine Überprüfung des Unterschieds zweier Häufigkeitsverteilungen auf Signifikanz tendenziell auch eine zutreffende Aussage über den Abstand zwischen den beiden zugehörigen Mittelwerten. So beruhen die in Tab. 4 angegebenen Signifikanzniveaus auf dem ?2-Test in der Form einer Vierfeldertafel, wobei zur Auffüllung der vier Felder die Aufteilung der Häufigkeiten beider Gruppen am Kriterium des gemeinsamen Durchschnittswerts verwendet wurde.

Im Ergebnis zeigt sich, dass für fast alle dunkel unterlegten Mittelwerte in Tab. 4, d.h. für die Mittelwerte, die sich um mehr als 0,80 von den entsprechenden Mittelwerten des Bildes 1 (ohne WKA) in ästhetisch negativere Bereiche absetzen, dieser Abstand auch als signifikant nachgewiesen wird. Lediglich für den Abstand des Mittelwerts auf der Skala "vielfältig - monoton" des Bildes 2 und desjenigen auf der Skala "unversehrt - beschädigt" des Bildes 3 ist keine Signifikanz mit dem c2-Test nachweisbar, was daran liegt, dass Häufigkeitsverteilung und Mittelwertsbildung eben nicht völlig identische Vorgänge sind. Da die Urteilswerte der einzelnen Befragten auf diesen beiden Skalen bei beiden Bildern in etwa eingipflig und symmetrisch verteilt sind, kann hier auch ein t-Test durchgeführt werden, mit dessen Hilfe direkt Mittelwertsdifferenzen auf Signifikanz überprüft werden können. Dabei zeigt sich, dass auch diese Mittelwertsabstände (von Bild 2 zu Bild 1 auf der Dimension "vielfältig - monoton" und von Bild 3 zu Bild 1 auf der Dimension "unversehrt - versehrt") deutlich signifikant sind.

5 Weiterführende Diskussion
Die hier dargestellten Ergebnisse zeigen die enormen ästhetischen Beeinträchtigungen auf, die schon einer wenig attraktiven Landschaft mit der Errichtung von Windkraftanlagen und insbesondere von Windparks zugefügt werden können. Dabei gibt es eine Reihe von ästhetisch abträglichen Effekten, die in den hier vorgenommenen Untersuchungen kaum zum Ausdruck kommen, die von den Befragten bestenfalls in synthästhetischer Weise in ihre Anmutungen einbezogen wurden. Da ist zum einen die Unruhe, die die Windkraftanlagen durch die ausgesprochen landschaftsfremden Flügelbewegungen in die Landschaft tragen. Dazu kommt, dass wegen der enormen Höhen der Anlagen in wachsendem Maße eine Befeuerung der Flügelspitzen notwendig wird, deren langfristige ästhetische (und gesundheitliche) Nachtwirkungen im Augenblick noch gar nicht richtig abschätzbar sind. Über diese direkten Bewegungen hinaus muss aber auch auf die visuelle Unruhe hingewiesen werden, die sich für einen Betrachter in Bewegung bei Vorhandensein vieler Anlagen durch perspektivische Überschneidungen und Überlagerungen ergibt.

Bei den stetig wachsenden Höhen stellen Windkraftanlagen im visuellen Sinne eine ausgesprochen "sperrige Infrastruktur" dar. Noch in 38 km Entfernung ist im Tiefland bei Absenz von direkten Hindernissen und bei sehr klarer Sicht das obere Drittel einer 150 m hohen Windkraftanlage zu sehen! Rücken sie näher an den Betrachter heran, behindern sie oft den Blick in die Tiefe der Landschaft, der immer schon zu den wertvollsten Merkmalen einer ästhetisch attraktiven Landschaft gehört hat. Dazu kommt, dass Windkraftanlagen mit ihren beispiellosen Höhen eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben, es sind ausgesprochene "eye-catcher" im negativen Sinne, denen sich das Auge - auch das eines beiläufigen Betrachters - nicht entziehen kann. In manchen windhöffigen Gebieten sind inzwischen schon eine ganze Reihe von Ortschaften mit Windkraftanlagen oder gar Windparks regelrecht "umzingelt". Die ästhetischen Beeinträchtigungen solch aggressiver Planungen beruhen demnach nicht nur auf dem Aussperren (attraktiver Fernbereiche), sondern zunehmend auch auf dem visuellen Einsperren (der Betrachter).

Die größten ästhetischen Verluste werden durch den technischen Charakter dieser Megastrukturen hervorgerufen, die - ähnlich wie Hochspannungsleitungen - mit dem landschaftlichen Kontext nicht korrespondieren können. Denn in der Landschaft suchen die Menschen für eine begrenzte Zeit eine Gegenwelt zu den technisch überformten Siedlungsbereichen, in denen sich ihr Alltag abspielt. Das hat nichts mit Technikfeindlichkeit zu tun, sondern mit einem guten Gespür für den genius loci, für das Besondere der Landschaft. Vermutlich wäre die Akzeptanz von Windkraftanlagen sehr viel größer, wenn diese beispielsweise in den ungenutzten "Luftstockwerken" der ausgedehnten Gewerbe- und Industriegebiete in der Bundesrepublik Deutschland installiert würden. Denn dort passen sie besser hin!

Man muss sich klar machen, dass sich die besprochenen empirischen Ergebnisse auf eine als wenig attraktiv erlebte Ausgangslandschaft beziehen (vgl. Abschnitt 3.2). Um wie viel negativer würden die Ergebnisse wohl ausgefallen sein, wenn die Versuche in einer Landschaft mit höherem ästhetischem Aufforderungscharakter stattgefunden hätten? Die Auswirkungen für Standorte in den Mittelgebirgen, Berg- und Hügelländern, aber auch in den vielfältigeren Tiefländern die heute so oft als Standorte für Windkraftanlagen herangezogen werden, sind mit den hier aufgezeigten ästhetischen Beeinträchtigungen in keiner Weise adäquat wiedergegeben. Bedenkt man, dass immer mehr dieser ästhetisch hochwertigen Landschaften mit den maßstabslosen Strukturen der WKA besetzt werden, dann wird deutlich, mit welchen gigantischen landschaftsästhetischen Verlusten in der nächsten Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland zu rechnen ist.

Auch sind in den referierten Ergebnissen noch nicht die ästhetischen Auswirkungen der gewaltigen Höhen heutiger Windkraftanlagen (bis 150 m Höhe) erfasst. In der untersuchten Landschaft mit zwei WKA erreichen die Anlagen "lediglich" Gesamthöhen von 88 m und in der mit zwölf WKA gar nur 42,5 m (vgl. Abschnitt 1). Im Ubrigen kommen in stark reliefiertem Gelände zusätzlich noch die erhöhten Standorte (wie Kammlagen, Berghöhen, Hochhänge usw.) zur Wirkung.

Das alles zeigt, wie sinnvoll es wäre, weitere empirische Untersuchungen mit Windkraftanlagen, deren Höhe den heute verwendeten Anlagentypen entsprechen, und mit anderen, ästhetisch bedrohten Ausgangslandschaften durchzuführen. Dabei könnten dann auch die Studenten als Befragte durch Stichproben mit "normaler" Bevölkerung ersetzt werden, obgleich dadurch kaum fundamental unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten sind. Diese Untersuchungen sollten so rasch wie möglich durchgehührt werden, damit der Planungspraxis wie auch der Rechtsprechung möglichst bald empirisch fundierte Ergebnisse und Entscheidungskriterien für die Abwägung an die Hand gegeben werden.

6 Folgerungen
Um sich die ganze Tragweite der sich gegenwärtig abzeichnenden epochalen Landschaftsbildveränderungen durch Windkraftanlagen klar zu machen, wird daran erinnert, dass das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu den dichtest besiedelten Flächen in Europa zählt. Es ist nicht leicht, hier größere Räume zu finden, in denen derartig hohe bauliche Strukturen, wie sie WKA darstellen, errichtet werden können, ohne dass dadurch nicht unzähligen Menschen die Schönheit und der Erholungswert von Natur und Landschaft in ihrem Lebensumfeld zerstört würden. Nach § 1 des Bundesnaturschutzgesetzes sind aber Schönheit und Erholungswert von Natur und Landschaft gerade für die Bevölkerung, die gegenwärtige wie die zukünftige, zu sichern. Da Windkraftanlagen in aller Regel für eine Dauer von mindestens 25 Jahren und meist mit der Option eines "repowerings" für weitere 25 Jahre errichtet werden, ist davon auszugehen, dass ästhetische Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes über viele Jahrzehnte anhalten würden. Im visuellen Einflussbereich von Windkraftanlagen würde der gesetzlich garantierte ästhetische Naturgenuss mehreren Menschengenerationen vorenthalten.

Das tatenlose In-Kauf-nehmen hoher landschaftsästhetischer Verluste widerspricht der Naturschutzgesetzgebung. Bei der Abgrenzung von Eignungsgebieten für Windkraft beispielsweise müsste die Naherholung in der Landschaft, für die das Landschaftsbild und die ästhetische Qualität der Landschaft von ausschlaggebender Bedeutung sind, auch in windhöffigen Gebieten systematisch berücksichtigt werden. Das aber setzt gerade wegen der durch die immensen Höhen von Windkraftanlagen bedingten weiträumigen visuellen Auswirkungen entsprechend große Abstände voraus. Tatsächlich aber spielen Naherholung und Landschaftsbild in der Praxis etwa bei der Ausweisung von Eignungsgebieten kaum eine Rolle. In den Ausschluss- und Restriktionsregelungen der einzelnen Bundesländer sind "landschaftsorientierte Erholung", "Landschaftsbild" oder Ähnliches nur äußerst selten als begrenzende Kriterien anzutreffen. Beispielsweise werden Bereiche für landschaftsorientierte Erholung oder Vorrang- bzw. Vorsorgegebiete für Erholung als mögliche Ausschluss und/oder Restriktionskriterien lediglich in Nordrhein-Westfalen und in Sachsen-Anhalt expressis verbis aufgeführt (BfN-Projektgruppe "Windenergienutzung" 2000: 25ff.).

Die vorliegenden Ergebnisse sollten auch einer Politik zu denken geben, die derzeit in vielen Teilen der Bundesrepublik systematisch den Ausverkauf landschaftlicher Schönheit und der alltäglichen Erholungsmöglichkeiten in der Landschaft betreibt. Wer technische Möglichkeiten ohne Rücksicht auf andere lebenswichtige Bedürfnisse der Menschen durchsetzt, auch wenn es um umweltfreundliche Energie geht, greift den Machbarkeitswahn der frühen Moderne wieder auf. Es käme aber heute darauf an, die Moderne selbst durch den Einbezug lebensweltlicher Interessen einer Erneuerung auszusetzen. Unter den gegebenen Bedingungen würde dazu beispielsweise auch gehören, den Menschen so viel Landschafts- und Naturschönes in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld zu erhalten und zu entwickeln, dass sie den Gedanken an die Notwendigkeit einer ökologisch intakten Natur in eigener Anschauung und immer wieder aufs Neue entwickeln könnten. Jedenfalls sind die sich in großen Teilen der Bundesrepublik Deutschland abzeichnenden flächenhaften ästhetischen Deformierungen der Landschaft durch Windkraftnutzung über die Naturschutzgesetzgebung, die der Bevölkerung in der Grundsatznorm des §1 ausdrücklich ein Recht auf landschaftliche Schönheit und landschaftsorientierte Erholung zugesteht nicht abgedeckt. Das Überziehen ganzer Landschaften mit Windkraftanlagen und Windkraftwerken muss im Lichte der Fortschrittlichkeit als kontraproduktiv erscheinen, wird doch auf diese Weise ganzen Generationen das Erlebnis ästhetisch attraktiver Landschaft vorenthalten.

7 Literatur
BflN (Bundesamt für Naturschutz) - Projektgruppe "Windenergienutzung" (2000): Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz zu naturschutzverträglichen Windkraftanlagen. Landwirtschaftsverlag, Münster.

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Anschrift des Verfassers: Dr. Werner Nohl, Landschaftsarchitekt, Honorarprofessor (TU München), Werkstatt für Landschafts- und Freiraumentwicklung, D-85551 Kirchheim b. München, E-Mail nohl@landschaftswerkstatt.de,
Internet: www.landschaftswerkstatt.de
 

31.01.2002http://WilfriedHeck.tripod.com